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Kinder entdecken Hamburg: Sehenswürdiges rund um den Michel

Da steht Ihr vor dem Michel, einem der Wahrzeichen Hamburgs, und die Warteschlange ist einfach zu lang? Ihr habt keine Lust, Euch mit mehreren Reisebus-Gruppen die Treppen hinauf zu schieben? Oder habt Ihr die 452 Stufen bereits erklommen, Euer Treppendiplom abgeholt und überlegt nun, was Ihr als nächstes sehen wollt? Im Folgenden findet Ihr fünf Orte rund um die St. Michaeliskirche, die auch einen Besuch wert sind.

1. Boßelkugeln an der Englischen Planke

Silberne Kugeln am Michel erinnern an die bosselnde, englische Gemeinde

Linkerhand vom Eingang in den Michel liegen auf der anderen Straßenseite fünf silberne Kugeln (Ecke Englische Planke und Böhmkenstraße).

Dabei handelt es sich nicht um schmückendes Beiwerk eines Häuser-Architekten sondern um die Erklärung, warum Ihr Euch gerade in der Englischen Planke befindet.

Wisst Ihr, was Boßeln ist? Dabei handelt es sich um einen ostfriesischen Sport, bei dem es darum geht, eine Hartgummikugel mit möglichst wenig Würfen über eine bestimmte Strecke zu rollen. Geboßelt wird in zwei Teams z.B. auf Wiesen, Deichen und auch auf der Straße.
Und das tat die englische Gemeinde genau hier zwischen dem 17. und 19. Jahrhundert.  Die Spiele, die dem Boßeln sehr ähnelten, wurden auf einer Art Sportplatz, dem Bosselhof, veranstaltet. Allerdings war die Lage etwas ungünstig; die Kugel rollten auf der abschüssigen Seite ständig Richtung Elbe hinab. Diese Seite wurde daher mit Planken abgesichert, woraus sich später der Straßenname „Englische Planke“ ergab.

2. Krameramts-Wohnungen: Wie früher Witwen wohnten

Blick in die enge Straße bei den Kramer-Witwen-Wohnungen

Die Krameramtswohnungen (oder auch Kramer-Witwen-Wohnungen) mögen sich zunächst nicht allzu spannend für einen Besuch mit Kindern anhören. Es gibt hier jedoch einiges zu entdecken, was es so nicht woanders in Hamburg gibt.

Da wäre zunächst die kleine, enge Gasse. Ein Zeugnis für die im 17. Jahrhundert typische beengte Bauweise in Hamburg. Da konnte man sich von Fenster zu Fenster den Zucker rüberreichen.

Gewohnt haben hier früher die Witwen des Krameramts – daher auch die Bezeichnung „Kramer-Witwen-Wohnungen“. Das Krameramt war eine Zunft, in der sich Kleinhändler (Krämer) mit festen Ständen oder Läden in Hamburg vereinigten. Krämer handelten mit Waren wie Gewürzen, Stoffen sowie Kolonial- und Eisenwaren.

1676 beschloss die Vereinigung für die Witwen ihrer Mitglieder Wohnungen einzurichten. Dafür kauften sie die Häuser in der Nähe des Michels, die bereits 1620 errichtet worden waren.

Die Unterkunft für die Witwen war kostenlos und sie erhielten sowohl Brennmaterial für den Ofen als auch etwas finanzielle Unterstützung. Man könnte also auch von einer Art früher Altersvorsorge sprechen, die die Witwe durch die Zugehörigkeit ihres Mannes in der Zunft erwarb.

Das Krameramt verfolgte jedoch auch eigene Interessen mit den Wohnungen. Damals lebten die Familien von Krämern normalerweise über dem Ladengeschäft. Da es der Frau nach dem Tode ihres Mannes nicht erlaubt war, den Laden selbst weiter zu betreiben, sollte sie ausziehen, damit ein neuer Krämer den Laden übernehmen konnte.

Über 300 Jahre, bis 1968, wurden die Unterkünfte als Altenwohnungen genutzt, seit 1974 dient die Anlage als Museum bzw. Kulturzentrum.

Blick aus der begehbaren Kramer-Witwen-Wohnung gen Michel

Eine der ehemaligen Wohnungen kann besichtigt werden

Sie wurde im Stil des 19. Jahrhunderts eingerichtet, so dass man einen guten Eindruck vom Leben in den Wohnungen damals bekommt. Sie wirkt spärlich eingerichtet und nicht wirklich geräumig. Über drei Etagen erstreckt sich die Wohnung: Im Erdgeschoss gibt es eine kleine Küchenecke; im 1. Stock die „Gute Stube“ sowie den Schlafbereich und ganz oben den Dachboden mit einer Luke, durch die Brennmaterial angeliefert wurde.

Für Kinder ist es spannend zu sehen, wie damals gekocht und geschlafen wurde. Und der Nachttopf erregt besonderes Interesse. Denn beim Anblick von diesem fällt auf, was in der Wohnung fehlt. Ist es Euch schon aufgefallen? Richtig, eine Toilette. Gemeinschaftstoiletten waren am Ende des Hofes zu finden.

Der Eintritt für Kinder und Jugendliche ist kostenlos, Erwachsene zahlen 3 Euro. Die Treppen im Haus sind sehr schmal. Auf dem Weg nach unten empfiehlt es sich, die Treppen rückwärts wie bei einer Leiter zu gehen. Sonst besteht auf Grund der engen Stufen Abrutschgefahr. Keine Ahnung, wie die Witwen das früher verletzungsfrei hinbekommen haben.

3. Zitronenjette – ein Hamburger Original

Zitronenjette hat in einer Hand eine Zitrone, in der anderen einen Korb mit ebendiesen. Deutlich sichtbar ist der goldene Finger, der Glück bringen soll.

„Zitroon, Zitroon, frische Zitroon!“ Mit diesem Ausruf pries Zitronenjette Ende des 19. Jahrhunderts ihre Ware an.

Geboren im Jahre 1841 unter dem Namen Henriette Johanne Marie Müller lebte sie zusammen mit ihrer Schwester im Gängeviertel in der Hamburger Neustadt. Eine Arbeit zu finden, war für Henriette leicht: Bei einer Körpergröße von 1,32m wog sie gerade einmal knapp 35 Kilogramm.

Und so kam sie auf die Idee, von den Matrosen im Hafen Südfrüchte zu erwerben und diese weiterzuverkaufen. Mit ihrer Körpergröße und ihrem damals ungewöhnlichen Kleidungsstil wird Henriette dabei oftmals Opfer von Hohn und Spott. Doch nicht nur das: Einige Kund*innen nutzen ihre schlechten Rechenkenntnisse aus, um sie beim Zitronenkaufen übers Ohr zu hauen.

Tagsüber traf man Henriette mit ihrem Korb im Gebiet rund um den Michel, nachts auch gerne mal in den Kneipen von St. Pauli. Auch hier erlaubten sich Leute gerne einen Scherz mit ihr und luden die zierliche Frau auf den einen oder anderen Schnaps ein. Angeschwipst erheiterte sie die Kneipenbesucher dann mit derben Witzen oder Liedchen.

Über die Jahre verfiel Henriette mehr und mehr dem Alkohol, ehe sie 1894 von der Polizei verhaftet und u.a. wegen Trunkenheit in eine Anstalt eingeliefert wurde. Hier lebte sie bis zu ihrem Tode 22 Jahre später. Geisteskrank war sie jedoch nicht und wurde daher in der Küche beschäftigt.

1986 wurde zum Gedenken an Zitronenjette das Denkmal aufgestellt, vor dem wir nun stehen. Geschaffen von Bildhauer Hansjörg Wagner zeigt es Henriette mit Korb, Zopf und Schultertuch. In einer Hand bietet sie dem Betrachter Zitronen an. Diese vorgestreckte Hand ist im Laufe der Jahre blankpoliert worden – das Anfassen soll nämlich Glück bringen.

An der Seite erinnert eine Gedenktafel auf Plattdeutsch an das harte Leben von Zitronenjette. Auf Hochdeutsch steht dort: „Dein Leben war sauer wie die Zitronen, soll sich das Erinnern an dich lohnen? Dein Schicksal weist auf all die Leute hin, für die das Glück gar keine Zeit hat.“

4. Der kleine Michel

Der Neubau des Kleinen Michels

Kinder haben ein Herz für Kleines, wie z.B. für den kleinen Leuchtturm an der Bunthäuser Spitze. Vielleicht werden sie auch Fans des folgenden Gebäudes. Ganz in der Nähe des Großen Michels steht nämlich der Kleine Michel.

Es ist Anfang des 17. Jahrhunderts. An einem Pestfriedhof knapp außerhalb der Stadtmauern wird eine kleine evangelische Kapelle gebaut, die dem Erzengel Michael gewidmet wird.

Doch die Stadt wächst und wächst; die Stadtmauern verschieben sich und die Kapelle wird zu klein für all die Gottesdienstbesucher. Die Kirchengemeinde der Neustadt benötigt eine neue Hauptkirche. Und so beginnt ab 1648 nur 400 Meter Fußweg der Bau einer neuen, viel größeren Kirche. 1661 wird die St. Michaeliskirche eingeweiht; der Michel ist geboren.

Die bisherige Kirche wird von nun an Kleiner Michel genannt. Sie verfällt und wird 1747 schließlich abgerissen. Aber sie kommt zurück! Wenige Jahre später wird der Kleine Michel wieder aufgebaut.

Der Große Michel ist nach einem Blitzschlag 1750 nämlich niedergebrannt und der Wiederaufbau wird länger als geplant dauern. Und um die Zeit bis zur Wiedereröffnung zu überbrücken, besann man sich auf den Kleinen Michel. 1757 war er wieder im Dienst und vertrat bis 1762 den Großen Michel.

Während der französischen Besatzungszeit wurde der Kleine Michel zur katholischen Kirche erklärt und dem heiligen Ansgar geweiht. Den Beinamen „Kleiner Michel“ trägt die Kirche aber bis heute.

Im Zweiten Weltkrieg wurde die Kirche komplett zerstört. Der Bau, vor dem wir nun stehen, ist der Neubau nach Plänen des französischen Architekten Jean Charles Moreux. Auf der Website des Kleinen Michels ist ein altes Bild der ursprünglichen Kirche zu finden (https://www.kleiner-michel.de/).

5. Das Hummel-Denkmal: Mors in Sicht

Der grimmig guckende Hummel dargestellt an seinem Denkmal

Er steht etwas abseits vom Kleinen Michel. Allerdings führt der Weg dahin durch die wirklich schöne Gegend rund um den Großneumarkt, den Alten Steinweg und die Wexstraße mit Geschäften und Restaurants.

Hummel gehört genau wie Zitronenjette zu den Hamburger Originalen und ist weit über Hamburgs Stadtgrenzen hinaus bekannt.

Hans Hummel, mit gebürtigem Namen Johann Wilhelm Bentz, lebte von 1787 bis 1854 in Hamburg. Von Beruf war er Wasserträger: Er verkaufte Trinkwasser, das er vom Brunnen am Gänsemarkt besorgte, an die Bewohner in der Neustadt, die sich so das schwere Schleppen der Eimer sparen konnten.

Es gibt mehrere Überlieferungen, wie Johann Bentz zum Spitznamen Hummel kam. Die Variante, die sich am meisten hält ist die über seine Wohnung.

Johann Bentz zog nämlich in eine Wohnung, die zuvor von einem verstorbenen Soldaten namens Daniel Christian Hummel bewohnt wurde. Dieser hatte immer spannende Kriegserzählungen parat und war daher bei den Kindern beliebt. Sie begrüßten ihn mit „Hummel, Hummel!“.

Als Bentz in die Wohnung zog, blieben die Kinder bei der Begrüßung.

Bis 1848 ging Johann Bentz seinem Beruf nach, dann nahm die Stadtwasserkunst in Rothenburgsort ihren Betrieb auf – die erste zentrale Wasserversorgung, an die auch die Neustadt angeschlossen wurde. Diese bedeutende Entwicklung machte allerdings die Hamburger Wasserträger arbeitslos. Hans Hummel starb einige Jahre später einsam und verarmt.

Darstellung eines Jungen, der, mit Blick auf Hummel, seine Hose runterzieht

Irgendwie haben wir Hamburger:innen einen Hang zu tragischen Geschichten. 😉

„Hummel, Hummel!“ „Mors, Mors!“

Unsterblich wurde Johann Bentz durch den Ausspruch „Hummel, Hummel!“ „Mors, Mors!“

Zu „verdanken“ haben wir den Hamburger Gruß frechen Straßenjungen. Sie mochten den kauzigen, oftmals grimmigen Wasserträger, der Selbstgesprächen neigte, nicht wirklich gern.

Wenn er sich schwer mit den Wassereimern beladen seinen Weg zu den Bewohnern bahnte, ärgerten sie ihn nur zu gerne. Sie riefen ihm „Hummel, Hummel!“ entgegen und manch einer entblößte sogar seinen Hintern. (Guckt Euch mal um, wenn ihr am Denkmal steht. Dann seht Ihr sogar eine Skulptur eines Jungen, der gerade die Hose runterzieht.)

Da Hummel seine Ladung nicht abstellen mochte, um die Jungs zu verscheuchen, blieb ihm nur eine kernige Entgegnung: „Mors“ bedeutet auf plattdeutsch „Hintern“ und wird u.a. in der Äußerung „Klei mi an‘n mors“ verwendet. Die Erwiderung bedeutet also in etwa „Leckt mich am A***“

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